25 Jahre Stadtbrunnen Weißenfels

Am 5. Oktober 2000 titelt der Regionalteil Weißenfels der Mitteldeutschen Zeitung „Palme steigt aus dem Nebel“ und bezeichnet den Brunnen auch als Palmenbrunnen. Wohl weil die Palme so sehr heraussticht und vermeintlich so wenig mit der Stadt Weißenfels zu tun hat? Denn eigentlich ist der Brunnen mit „Stadtbrunnen“ beschildert – aber die Palme hat tatsächlich etwas mit Weißenfels zu tun.

Doch der Reihe nach: Der am 4. Oktober 2000 durch Oberbürgermeisterin Gisela Bevier und Ministerpräsident Reinhard Höppner enthüllte Stadtbrunnen war der i-Punkt bei der Übergabe des neu gestalteten Weißenfelser Boulevards (Jüdenstraße).

„Seit Januar dieses Jahres lief die nunmehr abgeschlossene Umgestaltung, deren Gesamtkosten rund 3,5 Millionen Mark betragen. Rund 70 Prozent der Mittel für den Straßenbau stammen aus europäischen Fördertöpfen.“
MZ 5.10.2000

Otto Klein (Stadtrat und Buchautor zur Geschichte des „Gymnasium illustre Augusteum zu Weißenfels“) erklärte als Christian Weidling verkleidet (der von 1707 bis 1718 Rektor am Gymnasium war) die Symbolik des Brunnens. Das war auch nötig, denn die exotische Palme konnte sich wohl kaum jemand erklären.

Die Palme würde man heute als das Logo der (elitären) „Fruchtbringenden Gesellschaft“ bezeichnen (weiterführende Links ganz unten). Sie stand symbolisch für den Wahlspruch der Gesellschaft „Alles Zu Nutzen“ – denn die (Dattel-)Palme ist in allen Bestandteilen verwertbar. Und so wird die Gesellschaft auch als „Palmorden“ bezeichnet.
Von 1667 bis 1680 war Herzog August von Sachsen-Weißenfels „Vorsitzender“ (der Begriff ist wahrscheinlich nicht ganz richtig) der Fruchtbringenden Gesellschaft. Herzog August ist ebenfalls der Initiator des Baues von Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels. Er selbst residierte aber bis zu seinem Lebensende in Halle. Deshalb gilt der Vorsitz von Herzog August im Palmorden als „Hallische Epoche“ – hat aber dennoch etwas mit Weißenfels zu tun. Zumal das Ansinnen der Gesellschaft auch später in Weißenfels hochgehalten wurde, z.B. durch die Förderung des deutschsprachigen Theaters (Neuberin).

Zurück zur neueren Geschichte. Am 7. Oktober 2000 gab es einen weiteren Lokalteil-Artikel zum Thema Stadtbrunnen. Diesmal mit einem Interview des damals 67-jährigen Springbrunnenbauers Bonifatius Stirnberg aus Aachen. Zitat:

„Als ich vor einem reichlichen Jahr zum ersten Mal nach Weißenfels kam, habe ich gedacht, warum bestellen sich die Leute hier einen solchen Brunnen, wo sie doch so viele kaputte Häuser haben.“

Ohje. Aber auch verständlich und noch lange gültig.
Als im Jahr 2004 der neue Bundespräsident Horst Köhler seinen Antrittsbesuch in Sachsen-Anhalt bewusst nach Weißenfels verlegte, tat er es, weil er sich nicht nur die Erfolge zeigen lassen wollte, sondern auch die Stellen, wo es Probleme gibt. Weißenfels stand damals mehrfach in den Negativ-Schlagzeilen und wurde deshalb von ihm ausgewählt.
Bei dem obligaten Stadtrundgang zeigte man zuerst die gleich neben dem Rathaus befindliche desolate Marienstraße – um dann in die Jüdenstraße, an den Stadtbrunnen zu kommen. Endlich ein Fotomotiv für die Titelseiten. (Siehe weiter unten.)

Im Laufe der Jahre hat sich der Brunnen bei Stadtführungen und als Treffpunkt etabliert. Viele Weißenfelser nehmen ihn wohl auch gar nicht mehr wahr, er steht ja schon immer dort …
Die teilweise beweglich gestalteten Figuren haben den nicht immer angemessenen Zugriffen der Besucher widerstanden – gute Arbeit Meister Stirnberg!
Allerdings nagt der Zahn der Zeit. Ich meine nicht die Patina an der Bronze, sondern die Verkrustungen an den kleineren Figuren unten herum. Vielleicht gibt es im 25. Jahr eine kleine Maniküre?

September 2024, der Stadtbrunnen mit benachbartem Café in der Jüdenstraße Weißenfels
Die Barockzeit gilt als erste Blütezeit von Weißenfels und ist somit stark in der Brunnen-Symbolik vertreten.

Wir sehen hier ein Herzogspaar. Auf der Erklärtafel steht nicht genau, welches der vier in Weißenfels Residierenden es sein soll. (Laut MZ ist es Johann Adolph I. nebst Gattin, also der erste in Weißenfels residierende Herzog.) (Sekundogenitur Sachsen-Weißenfels)

Darf ich vorstellen: Links der Herr Johann Sebastian Bach, der nicht nur verwandtschaftliche Beziehungen nach Weißenfels pflegte. Rechts der Herr Heinrich Schütz, anerkannter „Vater der deutschen Musik“, weit herum- und wieder zurückgekommen nach Weißenfels.
Der bronzene Heinrich Schütz mit seinem eifrigen Darsteller Johannes Kreis. (2015)
Die Schuharbeiterin bildet einen starken Kontrast zu den Barock-Figuren. Sie steht für die Gründerzeit, aber auch für die DDR-Zeit, in der die Schuhindustrie in Weißenfels prosperierte.
Nicht im Vordergrund stehend, aber dennoch beachtenswert: Die „Blaue Blume“ wird ein Begriff für Novalis-Kenner sein.
Märchenraten ist angesagt
Gibt es nur in Weißenfels: Weihnachtsmarktbaum neben Bronze-Palme.
Hoher Besuch: Bundespräsident Horst Köhler bekommt den Stadtbrunnen von OB Manfred Rauner erklärt. (2004)
Der Stadtbrunnen schafft es in ungewöhnlicher Perspektive in meinen „Weißenfelser Bilderbogen 2023“.

Und ich habe auch noch etwas für die Freunde des Bewegtbildes (September 2024):

Meine Linktipps zum Thema:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bonifatius_Stirnberg
Der Weißenfelser Stadtbrunnen ist dabei (es war seine Nummer 151).
Eine unglaubliche Gestaltungsvielfalt wird erkennbar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbringende_Gesellschaft

https://fruchtbringende-gesellschaft.de

https://schuetzhaus-weissenfels.de

https://www.novalis-weissenfels.de/