Heute vor 30 Jahren

… war ich in Berlin – aus gutem Grund:
Ich wollte mit erleben, wie es ist, wenn passiert, was eigentlich niemand glauben kann. „Die Wende“ nannten wir es damals noch nicht – für uns war einfach die Mauer offen, und das allein war unglaublich!

Erfahren hatte ich davon zwei Tage zuvor, an einem Donnerstag. Ich hatte Spätschicht und mein Meister kam zu mir und sagte: „Die haben die Mauer aufgemacht!“ HÄ?!
Klar, es waren sehr unruhige Zeiten und wir haben auch auf Arbeit heftig diskutiert – doch das waren mindestens zwei Schritte mehr als erwartet!
Daheim lief der Fernseher ab sofort ohne Pause – wir konnten es nicht fassen. Sollte mit einem lapidaren Nebensatz tatsächlich alles unverzüglich anders sein?
Heute weiß ich, dass es ein Dammbruch war. Ab sofort ging es nicht mehr um eine neue DDR, sondern um die Wiedervereinigung. Eine Tatsache, die ich erst im Laufe der nächsten Wochen begriff.

Dass mit dem 11.11. gerade Karnevals-Beginn war, interessierte wohl niemanden. Wir wollten unbedingt bei der Geschichte live dabei sein und so bin ich mit Freunden in aller Samstags-Frühe Richtung Berlin losgezweitaktert. Bei Checkpoint Charlie sind wir zu Fuß rüber – und da war Karneval!

Ein unglaubliches Ereignis mit nicht absehbaren Folgen, soviel war uns schon klar. Aber Angst vor eskalierender DDR-Staatsgewalt hatte niemand mehr. Und als wir uns später am Abend durch die Massen Richtung Brandenburger Tor drängelten und dann aus Richtung West das Bauwerk sahen, belagert von mehreren Übertragungswagen aus aller Welt, die die übermütigen und auch provozierenden Mauerspechte filmten, da ging mir ein Schauer über den Rücken – ein Moment, der alle Eindrücke fokussierte, den ich wohl nie vergessen werde.

Gegenwart wird Geschichte

Dreißig Jahre später sehe ich im Kulturhaus Weißenfels eine Musical-Revue, bei der auch die Wendezeit thematisiert wird. Und die gekonnte Bühnen-Inszinierung der Leipziger Demo zu Udo Lindenbergs „Hinterm Horizont“ jagt mir wieder Schauer über den Rücken. Ein halbes Leben ist das her – und immer noch für mich ein Wunder!

Begrüßungsgeld abholen
Wenn’s um’s Geld geht SPARKASSE! Diesen Slogan kannten wir aus dem Westfernsehen.
West Berlin
Erst Stau …
Wittenberger Platz Berlin 1989
… dann Tohuwabohu am Wittenberger Platz.
Wende Berlin
Ein Trabi wird abgeschleppt. Kaputt? Parksünder?
KaDeWe 11.11.1989
Konsumterror in Reinkultur.
Blick von der Siegessäule in Richtung Brandenburger Tor.
Brandenburger Tor 11.11.1989
Gänsehaut-Moment: Die von DDR-Grenzern zurückeroberte Mauer am Brandenburger Tor aus Richtung West.
Wieder daheim: Studium der importierten Westpresse. „Ist die DDR noch zu retten?“ Titelt der Spiegel. Nein!
30 Jahre später: Musical-Revue-Szene zu den Leipziger Montagsdemos im Kulturhaus Weißenfels.
(Mit freundlicher Genehmigung des music art weissenfels e.V.)

Zukunft wird Retro

Mit der Wende wurde auch die Welt der Computer für uns greifbar – und ich will damit nicht unterschlagen, dass es auch in der DDR Computer gab. Mehr noch: meine Begeisterung für Computer und deren Möglichkeiten hat nicht erst mit der Wende begonnen. Aber die DDR-üblichen Schwierigkeiten bei der Beschaffung und das ewige Hinterherrennen hinter dem Weltmaßstab waren schon große Bremsen.

Die ersten paar Mark meines „Begrüßungsgeldes“ habe ich freudig für meine erste „richtige“ Computerzeitschrift ausgegeben. Die Auswahl war nicht einfach. Ich entschied mich für „Happy Computer“, weil laut Cover ein breit angelegter Überblick zu erwarten war.

Das Heft habe ich heute noch (samt Kassenzettel) – und 30 Jahre später konnte ich wieder nicht widerstehen, und kaufte mir die c’t-Retro Ausgabe, mit fast den gleichen Themen, aber einem neuen Blickwinkel 😉